Vertreter des Energiemittelstands klagen vor Europäischem Gericht für mehr Klimaschutz

Zur Bestimmung der CO2-Emissionswerte von Neuwagenflotten der Hersteller von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen werden gemäß entsprechender EU-Regeln bislang nach dem sogenannten „Tailpipe-Ansatz“ lediglich die Emissionen am Auspuff (auf Englisch „tailpipe“) eines Fahrzeugs herangezogen. Eine Gruppe von Klägern aus dem mittelständischen Energiehandel hat im Juli 2023 gegen die Verschärfung der CO2-Emissionsnormen vor dem Europäischen Gericht Klage eingereicht, da diese Regelung die Entwicklung, die Produktion und den Vertrieb CO2-neutraler synthetischer Kraftstoffe für Kraftfahrzeuge zu Lasten des Klimaschutzes ausbremst.

Die im April 2023 verabschiedete EU-Verordnung sieht eine erhebliche Verschärfung der CO2-Flottengrenzwerte für neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge in der EU ab 2030 vor. Ab dem Jahr 2035 dürfen nach der Verordnung nur noch emissionsfreie Fahrzeuge zugelassen werden. „Wir unterstützen die EU-Klimaziele ausdrücklich und möchten mit CO2-neutralen grünstrombasierten oder biogenen Kraftstoffen einen Beitrag dazu leisten, diese Ziele zu erreichen“, betont der mittelständische Energiehändler Dr. Lorenz Kiene. Bei ihrer Produktion wird zum Beispiel auf CO2 aus der Atmosphäre zurückgegriffen. Bei der Verbrennung der Kraftstoffe im Fahrbetrieb wird dann lediglich das bei der Produktion gebundene CO2 wieder freigesetzt. Es handelt sich damit um einen geschlossenen Kreislauf – zusätzliches oder fossiles CO2 wird nicht ausgestoßen.

„Tailpipe-Ansatz“ behindert Hochlauf klimafreundlicher Kraftstoffe

Allerdings bremst der sogenannte „Tailpipe-Ansatz“ mit seiner zugrunde liegenden Regulierung der CO2-Flottengrenzwerte den Hochlauf dieser Kraftstoffe aus. Der positive Beitrag von CO2-neutralen Kraftstoffen für den Klimaschutz bleibt bei einer Messung am Auspuff außen vor.

Klimaschutz bedarf einer ganzheitlichen Betrachtung von CO2-Emissionen – der „Lifecycle-Ansatz“ sollte auch bei CO2-Flottengrenzwerten angewandt werden

Erfolgreicher Klimaschutz bedarf eines ganzheitlichen Ansatzes für die Erfassung der CO2-Emissionen von Mobilität. Dabei sollten alle bei Herstellung (bei batterieelektrisch angetriebenen Fahrzeugen (BEV) zum Beispiel einschließlich der Batterie), Betrieb (bei BEV einschließlich der Erzeugung des Ladestroms und bei Verbrennern einschließlich der Bereitstellung und der Verbrennung der Kraftstoffe) und Entsorgung von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen anfallenden Emissionen berücksichtigt werden. Die Europäische Union hat die Bedeutung eines derartigen „Lifecycle-Ansatzes“ für die Messung von Emissionen auch wiederholt betont. Dass davon in den Vorschriften zu den CO2-Flottengrenzwerten sachlich unbegründet abgewichen wird, ist aus Sicht der Kläger nicht nachvollziehbar und schadet darüber hinaus dem Klimaschutz. Denn, so Dr. Kiene: „CO2-neutrale Kraftstoffe bieten die einzige Möglichkeit, Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die die Fahrzeugbestände noch langfristig dominieren werden, in die Klimaschutzbemühungen einzubeziehen.“

Die Kläger sehen sich auch in Grundrechten verletzt

Eine Gruppe von vier Klägern aus dem mittelständischen Energiehandel – Dr. Lorenz Kiene, die CLASSIC Tankstellen GmbH & Co. KG, die eFuel GmbH sowie die eFuel Projektentwicklung GmbH, alle mit Sitz im niedersächsischen Hoya – hat dagegen vor dem Europäischen Gericht Klage eingereicht. Durch den „Tailpipe-Ansatz“ sehen sich die Kläger, die im Bereich der Entwicklung, der Produktion und des Vertriebs CO2-neutraler Kraftstoffe für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge wirtschaftlich tätig sind, unter anderem in ihrem Grundrecht auf unternehmerische Freiheit verletzt. „Der ‚Tailpipe-Ansatz‘ schränkt den Aufbau einer innovativen Industrie für erneuerbare Kraftstoffe, welche einen unverzichtbaren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten könnten, unangemessen ein“, erklärt Dr. Kiene und ergänzt: „Wir befürworten stattdessen im Sinne des Klimaschutzes einen Ansatz, der die Emissionen über den gesamten Lebenszyklus der Fahrzeuge betrachtet.“

Europäische Union als Beklagte

Beklagte des Verfahrens ist die Europäische Union, vertreten durch das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union. Die Kläger werden vertreten durch die Rechtsanwaltssozietät Osborne Clarke. Der Branchenverband UNITI e.V. unterstützt die Klage.

Über die Kläger
Dr. Lorenz Kiene ist ein Vorreiter für den Vertrieb und die Herstellung CO2-neutraler Kraftstoffe in der Europäischen Union und unter anderem Gesellschafter und Geschäftsführer der Christian Lühmann GmbH, einem mittelständischen Energiehandelsunternehmen. Dr. Kiene ist Vorstandsmitglied des UNITI e.V. und dort für den Bereich Tankstelle zuständig.

Die CLASSIC Tankstellen GmbH & Co KG ist eine Tochtergesellschaft der Christian Lühmann GmbH, die ihr Geschäftsmodell hin zum Vertrieb von CO2-neutralen Kraftstoffen für eine nachhaltige Mobilität transformiert.

Die eFuel GmbH ist ein Gemeinschaftsunternehmen aus zehn mittelständischen Tankstellenbetreibern und Energiehändlern und hat das Ziel, einen entscheidenden Beitrag zur zukunftsorientierten und CO2-neutralen Neuausrichtung der Geschäftsmodelle zu leisten.

Die eFuel Projektentwicklung GmbH soll Projekte zum Hochlauf der Produktion CO2-neutraler Kraftstoffe vorantreiben und fördern.

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